Kindergeschichten


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Wie Ida Opa glücklich macht...
An Tagen wie diesen schaute Ida gern aus dem Fenster. Es regnete schon seit Stunden. Ida hatte es sich mit ihrem Lieblingskissen auf dem Fensterbrett gemütlich gemacht und beobachtete das Treiben auf der Straße. Der Regen prasselte gegen die Fensterscheibe. Viele Tropfen bildeten kleine Bäche. Manche Tropfen rannten um die Wette. Manchmal wählte Ida einen Tropfen aus, der gewinnen sollte. Wenn ihr das Spiel zu langweilig wurde, schaute sie wieder hinaus.
Viele Menschen flitzten mit ihren Regenschirmen über den Bürgersteig. Ein Mann hielt seine Aktentasche über den Kopf, um nicht nass zu werden. Was wohl in der Tasche war? Sicher nur langweilige Papiere. So etwas trugen die Erwachsenen gerne mit sich herum. Ida hatte immer schöne bunte Bilder in ihrer Kindergartentasche, aber die hielt sie sich nie über den Kopf. Ida hatte einen Regenmantel und Gummistiefel. Die zogen die Erwachsenen auch nicht an, wenn es regnete.
Papa hatte auch keine Gummistiefel. Aber er hatte so eine große Ledertasche, mit der er morgens aus dem Haus ging. Meistens sah Ida ihren Papa abends gar nicht, weil er immer so lange arbeiten musste. Aber morgens, wenn Ida vor dem Klingeln des Weckers zu Mama und Papa ins Bett schlüpfte, um mit ihnen zu kuscheln, bevor sie aufstanden, stand die Tasche immer an ihrem gewohnten Platz im Flur neben dem Schirmständer. Aber in letzter Zeit war Mama morgens immer so müde, obwohl sie wie Ida die ganze Nacht geschlafen hatte. Ida konnte gar nicht verstehen, warum die Erwachsenen immer so gerne in ihren Kissen blieben, wo es doch am Tag so viele lustige Dinge zu entdecken gab.
Aber seit Weihnachten war es in ihrer Familie nicht mehr so lustig wie früher. Oma war am zweiten Weihnachtsfeiertag gestorben und seitdem war eine ganz traurige Stimmung im Haus. Mama weinte viel. Ida war immer sehr unglücklich, wenn Mama weinte und war dann besonders lieb zu ihr. Dann kroch Ida auf Mamas Schoß und schlang ihre Arme ganz fest um Mamas Hals. Mama weinte dann noch mehr und drückte Ida ganz fest an ihr Herz.
Sie sagte dann immer:
"Ach meine Große, ich bin so froh, dass ich dich habe!"
Ida sagte dann immer:
"Und ich bin so froh, dass ich dich habe, meine noch Größere!"
Dann fingen sie beide meistens an zu lachen...
Ida schaute zum Himmel.
"Oma! Wo bist du jetzt? Geht es dir gut? Ich vermisse dich!"
Ida blickte zum Supermarkt auf der anderen Straßenseite. Gerade kam eine Mutter mit zwei Kindern heraus. Auf dem Arm ein Baby und in der anderen Hand eine Einkaufstüte, an der sich ein kleiner, weinender Junge festhielt. Wahrscheinlich hatte er kein Schokoladenei bekommen und weinte jetzt.
Das kannte Ida. Aber wenn Ida mit Oma einkaufen gegangen war, hatte sie immer ein Schokoladenei bekommen. Mama fand das in Ordnung und sagte immer:
"Omas dürfen das, die sind zum Verwöhnen da!"
Deshalb ging Ida am liebsten mit Oma einkaufen. Oma war jede Woche an drei Tagen zu ihnen gekommen, wenn Mama arbeiten ging. Oma wohnte auf dem Land und fuhr dann immer mit dem Bus in die Stadt. Manchmal kam Opa mit. Dann gingen sie in den Zoo oder ins Schwimmbad. Aber meistens blieb Opa lieber in seinem Garten. Opa mochte die Stadt nicht. Ida auch nicht. Sie war viel lieber bei Oma und Opa auf dem Land, wo es so schön nach Heu roch. Außerdem hatten Oma und Opa eine Katze, einen Hund und drei Hühner.
Ida wollte auch so gerne einen Hund haben. Aber Papa sagte immer, dass Tiere in der Wohnung verboten sind. Deshalb fand Ida die Stadt blöd.
Bei Oma roch es auch viel schöner, nach Tieren und Blumen und nach Omas Apfelkuchen. Ida liebte Omas Kuchen. Im Sommer gab es jeden Sonntag unter dem Pflaumenbaum einen leckeren Sonntagskuchen.
Im Garten gab es drei Obstbäume. Einen Apfelbaum, einen Pflaumenbaum und einen Kirschbaum. Und Omas Himbeeren waren die besten der Welt!
Jetzt würde Ida nie wieder Omas leckeren Kuchen essen können. Opa konnte nicht kochen und nicht backen. Opa konnte gut Geschichten erzählen und vorlesen. Er baute mit ihr Vogelhäuschen und Drachen, aber Kuchen backen konnte Opa nicht.
Deshalb brachte Mama Opa immer etwas zum Essen mit. Opa hat Oma bestimmt genauso vermisst wie Ida.
Bestimmt auch ihren Veilchenduft. Oma roch immer ein bisschen nach Veilchen. Und weil Ida das so mochte, hatte Oma ihr ein bisschen von ihrem Veilchenparfüm auf ihr Lieblingskissen gesprüht. Das hatte Oma ihr auch geschenkt. Es war rosa und pink mit einer Fee drauf. Ida drückte sich das Kissen fest an die Nase. Es roch noch ein bisschen nach Oma. Ida kullerten ein paar Tränen über die Wangen und sie schaute wieder zum Himmel.
Ida hätte so gerne gewusst, wie Oma von der kalten Erde in den Himmel gekommen ist. Für Opa wäre es viel schöner gewesen, wenn er Oma in seinem Garten begraben hätte. Vielleicht unter dem Apfelbaum. Das war nämlich Omas Lieblingsplatz. Dann wäre sie ganz nah bei Opa! Er hätte ihr immer Blumen aus dem Garten aufs Grab legen und ihren Gartenstuhl daneben stellen können. Papa hatte gesagt, dass man Menschen und große Tiere nicht im eigenen Garten begraben darf. Ida fand das blöd. Überhaupt hatten die Erwachsenen viele blöde Regeln. Schließlich hatten sie auch den Hahn Fridolin unter dem Haselnussstrauch begraben. Der hätte sich sicher gefreut, nicht mehr so allein zu sein ...
Opa war jetzt auch allein. Ida auch. Mama hatte gesagt, dass Opa nicht dreimal in der Woche mit dem Bus kommen konnte, um auf Ida aufzupassen. Aber Mama musste arbeiten. Deshalb sollte Ida jetzt ein Kindermädchen bekommen.
Aber Ida wollte kein Kindermädchen und deshalb hatte sie sich etwas überlegt. Auf der Fensterbank kamen ihr immer die besten Ideen. Ida schaute zum Himmel. Es hatte aufgehört zu regnen. Der Himmel war aufgerissen und ein Sonnenstrahl küsste Ida direkt auf die Nase.
Das war ein Gruß von Oma. Oma fand Idas Idee gut, das war jetzt klar. Fröhlich sprang Ida vom Fensterbrett und stürmte zu Mama in die Küche.
"Mama, Mama! Jetzt weiß ich, wie wir alle nicht mehr traurig sein müssen!"
Mama deckte gerade den Abendbrottisch. "Das musst du mir aber gleich erzählen, mein Schatz! Papa muss auch gleich kommen. Wir haben nämlich heute Abend etwas mit dir zu besprechen!"
Wie bestellt hörte sie das Türschloss und Papas Schritte im Flur! Ida rannte ihrem Papa in die Arme und drückte ihn ganz fest.
"Papa! Ich habe eine gute Idee!" Hand in Hand gingen sie in die Küche und setzten sich an den gemütlichen Esstisch. Papa lachte:
"Na, Prinzessin, dann schieß mal los!"
Das ließ sich Ida nicht zweimal sagen und sprudelte nur so aus ihr heraus.
"Wir ziehen zu Opa! Dann ist Opa nicht mehr so allein in seinem großen Haus. Dann kann er mit uns essen und lachen. Und dann brauche ich kein blödes Kindermädchen mehr und habe einen Hund! Ist das nicht toll?!"
Mama und Papa sahen sich vielsagend an und lachten.
"Das ist wirklich eine großartige Idee, Ida! Das machen wir!"
"Warum sind wir nicht selbst darauf gekommen?", fragte Papa und zwinkerte Mama zu.
"Wir haben auch eine Überraschung für dich!"
"Ja? Welche denn? Sag schon, sag schon!"
Ida sprang von ihrem Stuhl auf und hüpfte durch die Küche.
"Du bekommst im Sommer ein Brüderchen! Na, was sagst du?"
"Juhu! Oma hat mir die Sonne geschickt und ein Brüderchen dazu! Jetzt hat Opa überhaupt keine Zeit mehr, traurig zu sein, oder?"
Als Ida abends im Bett lag, fiel das Mondlicht auf ihr Kopfkissen. Es war ein aufregender Tag heute gewesen. Sie war traurig und glücklich gewesen, die Sache mit dem Schokoladenei, die musste sie allerdings Opa noch beibringen und über den Veilchenduft würde sie noch mal nachdenken.
Aber das hatte Zeit bis morgen.
Alles würde gut werden!
Ida gähnte und schlief zufrieden ein.


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